„Im aktuell angespannten hessischen Wohnungsmarkt muss die Umnutzung von bisherigen Nichtwohngebäuden zu Wohnraum oder gemischt genutzten Immobilien verstärkt ins Blickfeld genommen werden, um zügig - und mitunter unkonventionell - zusätzlichen Wohnraum bereitstellen zu können, und dies möglichst inmitten gewachsener Quartiere mit vorhandener Infrastruktur und Lebendigkeit“, sagte Staatssekretär Jens Deutschendorf, zuständig für Wohnungsbau im Wirtschaftsministerium anlässlich der Preisverleihung in Bad Homburg-Obererlenbach.
„Ich freue mich, dass so viele Beiträge eingegangen sind, die sowohl übertragbare Ideen als auch kreative Lösungen zeigen. Schließlich möchte der Preis dazu beitragen, die Chancen, die in der Umwandlung und Ergänzung von vorhandenem Gebäudebestand – der grauen Energie - liegen, sichtbar zu machen“, so der Staatssekretär. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen hatte in Kooperation mit der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen zum dritten Mal nach 2018 und 2020 einen „Preis für Innovation und Gemeinsinn im Wohnungsbau“ ausgelobt.
Gesucht wurden dieses Mal innovative Lösungen im Umgang mit bisherigen Nicht-Wohngebäuden, als Ressource für zusätzlichen Wohnraum. Besonders willkommen waren dabei Projekte, die eine kreative Aneignung von bestehender Gebäudesubstanz in gestalterischer Hinsicht wie auch im Umgang mit vorhandenen Materialien und (recycelten) Bauteilen thematisieren und darüber hinaus ggf. auch nachhaltige Energie- oder Mobilitätskonzepte oder besondere soziale Konzepte aufweisen.
Beworben hatten sich knapp 40 Projekte aus ganz Hessen. Fünf von ihnen wurden von der Jury aus Architekten und weiteren Fachleuten als würdige Preisträger und vier weitere als besonders anerkennenswert ausgewählt.
Mit jeweils 11.000 Euro wurden fünf Projekt im urbanen wie im ländlichen Kontext ausgezeichnet: Dies sind das zukünftige genossenschaftliche Wohnprojekt in der ehemaligen Akademie der Arbeit und das Quartiershaus Praunheim in Frankfurt am Main sowie der Oberhof in Bad Homburg-Obererlenbach, der Robinienhof in Fronhausen-Sichertshausen und die Mensch Meierei in Witzenhausen-Unterrieden.
Darüber hinaus wurden vier Anerkennungen ausgesprochen, die jeweils 5.000 Euro erhalten: Die Alte Kelterei in Arnshain, das Studierendenwohnheim Studico in Darmstadt, die Wohnhof Treysa GmbH in Schwalmstadt und das Alte Gericht in Wiesbaden.
So ist die Umnutzung der architektonisch und baukulturell interessanten ehemaligen denkmalgeschützten Werkstattbauten in Frankfurt-Praunheim ein ambitioniertes Projekt, das im Stadtteil integriertes Wohnen für Geflüchtete und Atelierwohnen bzw. Arbeiten sowie kulturelle Angebote für das Quartier zusammen denkt. (Planung: BSMF, Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung mbH, Frankfurt). Das Projekt ist ein vielversprechendes Beispiel für einen durch Umnutzung entstandenen aktiven Quartiersbaustein, der auch auf andere städtische Quartiere übertragbar ist. Die Akzeptanz des Projekts im Quartier ist hoch.
Die geplante Umnutzung der ehemaligen Akademie der Arbeit in Frankfurt-Bockenheim zu Clusterwohnungen, Wohngemeinschaften und Familienwohnungen für insgesamt ca. 90 Personen zeichnet sich - bei geringem privaten Wohnflächenkonsum - durch einen kreativen Umgang mit einem sehr individuellen Gebäudebestand aus. (Planung: MMM Manuel Mauder Architekten und Prof. Marion Goerdt, beide Frankfurt am Main). Das Projekt ist ein mutiges Beispiel für gemeinschaftliches Mehrgenerationenwohnen in einem sehr hochpreisigen Umfeld, wobei die Rechtsform - eine Genossenschaft - eine langfristig stabile Kostenmiete gewährleisten soll. 30 % der Wohneinheiten sollen geförderte Wohnungen sein.
Der Oberhof in Obererlenbach ist ein vielversprechendes Beispiel für eine am Gemeinschaftsgedanken orientierte Umnutzung einer großen landwirtschaftlichen Liegenschaft durch ein Wohnprojekt im Rhein-Main-Gebiet. Der ausgeprägt ganzheitliche Ansatz schließt auch Angebote an das Quartier wie Stadtteilbibliothek, Jugendtreff, Hofladen, Beratungsstelle u.a. mit ein. (Planung: acr+ architekten | Antje Riedl, Bad Homburg). Es ist eine vielseitige und lebendige Nutzungsmischung entstanden. Der Hof ist nach dem Umbau ein öffentlicher Ort, der Charakter der Hofanlage wurde in gelungener architektonischer Form gewahrt.
In Sichertshausen entsteht mit der Umnutzung des am Dorfeingang und direkt am Lahn-Radweg gelegenen Robinienhofs – ein ehemaliger Vierseithof - ein Wohnensemble, das zur Belebung des gesamten Ortskerns beitragen und beispielgebend sein kann für die Weiterentwicklung ländlicher Orte, vor allem wie hier in der Nähe der Universitätsstadt Marburg. Bei der Umnutzung werden baukulturelle Aspekte im Umgang mit der historischen Bausubstanz ernst genommen, Bestandsmaterialien verwendet und nachhaltige Energien wie eine Wärmepumpe in Kombination mit Photovoltaik eingesetzt. (Planungsbüro Dr. Buchenauer, Marburg).
Auch in Witzenhausen wird in ehemals landwirtschaftlich genutztem Bestand nun Wohnen etabliert. (Planung: Bauingenieur Joachim Brandt, Witzenhausen und Christiane Feist – Architekturbüro für kreative Bauplanung, Meldorf). Das Projekt besticht durch sein offenes Wohnkonzept ohne abgeschlossene Einzel-Wohnungen, aber mit viel Gemeinschaftsraum. Dennoch hat jeder seinen persönlichen Rückzugsbereich. Auch die Berechnung des Mietzinses ist innovativ, es wird ein individuell festgelegter Betrag pro Monat pro Person berechnet, der sich nach den jeweiligen finanziellen Verhältnissen richtet. Das Trägermodell unter Beteiligung des Mietshäusersyndikat ist ein lobenswertes, nicht an Rendite orientiertes Konzept, welches bezahlbaren Wohnraum sichert.
Durch diese Umnutzung von bisher nicht für Wohnen gedachten Liegenschaften sind ungewöhnliche, nachhaltige und wegweisende Konzepte hinsichtlich Architektur und Umgang mit vorhandener Substanz, aber auch hinsichtlich des sozialen Miteinanders in der Bewohnerschaft und im Quartier zustande gekommen.
Bei den vier Anerkennungen geht es um besonders mutige Projekte im Umgang mit dem Bestand, zwei auf dem Land, die beide auf ihre Weise integrativ wirken und zwei in urbaner Lage mit sehr hohem gestalterischem Anspruch an die Umwandlung vorhandener Gebäude für Wohnzwecke.
„Ich möchte allen Wettbewerbsteilnehmern danken, die gezeigt haben, dass der Wohnungsbau in Hessen kreative, nachhaltige und nachbarschaftliche Lösungen bietet, die vielfach auch bezahlbar sind“, betonte der Staatssekretär.